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Ohne Narben: Forschungsteam ist der vollständigen Regeneration von Gewebe und Organen auf der Spur


Zebrafische sind Meister der Selbstheilung. Schalteten die Wissenschaftler jedoch auf der molekularen Ebene einen bestimmten Signalweg aus, bildeten sich bei ihnen Narben – genau wie bei Menschen und anderen Säugetieren. | © DZHK


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Zebrafische sind Meister der Selbstheilung: Dass sie beispielsweise ihr Herz nach einer Verletzung vollständig regenerieren können, ist bereits bekannt. Bei Menschen und anderen Säugetieren ist das anders: Ihr Herzmuskel kann sich nur schlecht erholen und es entstehen Vernarbungen, die dazu führen, dass das Herz schlechter pumpt. Forscherinnen und Forscher versuchen deshalb vom Zebrafisch zu lernen und haben nun einen entscheidenden Mechanismus entdeckt.

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Bei einem Herzinfarkt kommt es zu Verletzungen am Herzen. Abgestorbenes Muskelgewebe wird durch Narbengewebe ersetzt. Je mehr Vernarbungen, die mit Verhärtungen einhergehen, desto schlechter pumpt das Herz. Ein Forschungsteam unter der Leitung von DZHK-Wissenschaftler Dr. Sven Reischauer vom DZHK-Standort Rhein-Main hat einen Mechanismus entdeckt, der die Therapie von verletztem Gewebe weiter voranbringen könnte.

Schalteten die Wissenschaftler auf der molekularen Ebene einen bestimmten Signalweg aus, bildeten sich bei den Zebrafischen Narben – genau wie bei Menschen und anderen Säugetieren. Ist nämlich der sogenannte Interleukin-11-Signalweg unterbrochen, wird nicht das übliche genetische Zellregenerationsprogramm des Zebrafisches aktiviert. Die Zellen  ändern ihr Verhalten. Statt beschädigtes oder verlorenes Gewebe wiederherzustellen, bilden sie Myofibroblasten – jene Zellen, die beim Menschen die Bildung der Narbe steuern. Myofibroblasten werden für die Fibrose verantwortlich gemacht, also die Vermehrung von Bindegewebszellen (Fibroblasten) im Herzmuskel. Sie lassen das Herz zunehmend „versteifen“.

„Dies ist das erste Mal, dass wir einen Mechanismus, der gleichzeitig und über Gewebegrenzen hinweg vor Vernarbung schützt und die Regeneration fördert, in einem einzigen klar definierten Signalweg identifizieren konnten“, sagt Dr. Sven Reischauer. Damit habe die Wissenschaft jetzt „einen Fuß in der Tür“, um dem alten Traum der Medizin ein bisschen näher zu kommen: Gewebe, das sich nach einer Verletzung vollständig und ohne Narbenbildung regeneriert – ganz gleich ob verletztes Herz oder abgeschnittener Finger.

In einem nächsten Schritt wollen die Forscher untersuchen, ob und wie menschliche Zellen dazu gebracht werden können, ein solches Zellregenerationsprogramm zu aktivieren. Auch die Gewebezüchtung im Reagenzglas für therapeutische Anwendungen könnte von dem Ansatz profitieren.


Publikation: S. Allanki, B. Strilic, L. Scheinberger, Y. L. Onderwater, A. Marks, S. Günther, J. Preussner, K. Kikhi, M. Looso, D. Y. R. Stainier, S. Reischauer: Interleukin-11 signaling promotes cellular reprogramming and limits fibrotic scarring during tissue regeneration. Sci. Adv. 7, eabg6497 (2021). DOI: 10.1126/sciadv.abg6497
https://www.science.org/doi/10.1126/sciadv.abg6497

Quelle:
Pressemitteilung der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU)