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Werner-von-Siemens-Ring geht an Jens Frahm


Jens Frahm und sein Team haben die Echtzeit-MRT entwickelt. Damit sind zum Beispiel Filmaufnahmen des schlagenden Herzens auf der Suche nach Herzrhythmusstörungen möglich. | © Frank Vinken / Max-Planck-Gesellschaft


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Die Zahl ist gigantisch: Jährlich werden weltweit 100 Millionen Untersuchungen mit der Magnetresonanztomografie (MRT) durchgeführt – und jeder einzelne Tomograf nutzt die Technik, die Jens Frahm mit seiner Forschungsgruppe am Max-Planck-Institut (MPI) für biophysikalische Chemie entwickelt hat. Für seine Leistungen erhält der Physiker, der Principle Investigator beim Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) ist, nun den Werner-von-Siemens-Ring – einen der wichtigsten deutschen Technikpreise. In den Anfangstagen der MRT in den 1980er-Jahren dauerte eine einzige MRT-Schichtaufnahme noch Minuten. Frahms FLASH-Technologie machte Sekunden daraus – eine 100-fache Beschleunigung. Erst sie ermöglichte die Anwendung in der klinischen Diagnostik. Frahms neueste Entwicklung, FLASH 2, macht die MRT noch einmal schneller und ermöglicht Videos vom schlagenden Herzen oder anderen bewegten Körperorganen – in Echtzeit mit bis zu 100 Bildern pro Sekunde.

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Hätte Alfred Nobel einige Jahrzehnte später gelebt, dann gäbe es heute sicherlich einen Nobelpreis für bahnbrechende technische Entwicklungen. Das Vermächtnis eines anderen Visionärs füllte diese Lücke: Werner von Siemens war zeitlebens davon überzeugt, dass Wissenschaft und Technik untrennbar miteinander verbunden sind und Großes ermöglichen. Seit 1916 zeichnet die Stiftung Werner-von-Siemens-Ring deshalb alle zwei bis drei Jahre Menschen aus, die die Technikgeschichte entscheidend mitgeprägt haben. Der Preis in Form eines jeweils individuell gefertigten Ringes geht in diesem Jahr an den Max-Planck-Forscher Jens Frahm aus Göttingen. „Wir würdigen damit die enorme Leistung, die Jens Frahm für die medizinische Diagnostik erbracht hat“, erläutert Joachim Ullrich, Präsident der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) und Vorsitzender des Stiftungsrates der Stiftung Werner-von-Siemens-Ring.

Magnetresonanztomografie auf dem Siegeszug

Frahm ist Physiker und spezialisierte sich früh auf biologische und medizinische Anwendungen. Bereits 1982 leitet er eine Arbeitsgruppe am MPI für biophysikalische Chemie zum Thema MRT. Die MRT war 1973 von Paul Lauterbur erfunden worden, hatte aber einen entscheidenden Nachteil: Sie war zu langsam. Daher setzte sich die vielversprechende Idee, damit ohne schädliche Röntgenstrahlen Bilder aus dem Inneren des Körpers aufzunehmen, zunächst nicht durch. Die Technik beruht darauf, dass ein starkes Magnetfeld die Wasserstoffatomkerne des menschlichen Körpers beeinflusst. Sie verhalten sich in einem starken Magnetfeld der MRT-Röhre wie kleine Magnete, die nach Anregung mit einem kurzen Radiowellenimpuls selber ein UkW-Signal ausstrahlen. Das kann man messen. So lassen sich Bilder von weichen Körpergeweben errechnen. Aber für jede Schicht musste man anfangs minutenlang messen.

Frahm kam auf die entscheidende Idee, für jede der sehr vielen Einzelmessungen eines MRT-Bildes immer nur einen Teil des verfügbaren MRT-Signals zu nutzen. Mit diesem physikalischen Trick, dem FLASH-Verfahren, konnte er die Pausen zur Signalerholung vollständig eliminieren und die Messzeit radikal um das Hundertfache beschleunigen. Das war der Durchbruch für die MRT. Heute wird die Technik genutzt, um verschiedenste Fragen zu beantworten: Gibt es bei einer Person Auffälligkeiten im Hirngewebe? Wurden bei einem Unfallopfer innere Organe verletzt? Liegt ein Bandscheibenvorfall vor? Hat das Herz Schaden genommen?

Als die MRT-Bilder laufen lernten

Im Jahr 2010 machten Frahm und sein Team schließlich den Weg frei für Videoaufnahmen mit der MRT, indem sie die Methode noch einmal deutlich beschleunigten. FLASH 2, die Echtzeit-MRT, beruht auf einem neuen mathematischen Verfahren für die Bildrekonstruktion, das eine Berechnung aus nur noch sehr wenigen Einzelmessungen ermöglicht, die entsprechend weniger Messzeit benötigen. Damit sind Filmaufnahmen des atmenden Brustkorbs, des schlagenden Herzens auf der Suche nach Herzrhythmusstörungen, von Gelenken in Aktion oder komplexer Abläufe wie Sprechen oder Schlucken möglich – mit 30, 50 oder gar 100 Bildern pro Sekunde. Die neue Technik könnte in Zukunft auch genutzt werden, um minimalinvasive Eingriffe zu begleiten, die bisher unter Röntgenkontrolle durchgeführt werden. Die Echtzeit-MRT wird derzeit an der Universitätsmedizin Göttingen und mehreren anderen Universitäten in Deutschland, Großbritannien und den USA für den routinemäßigen Einsatz am Patienten getestet.

 

Quelle: Pressemitteilung Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie