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Pressemitteilungen

Therapie der Mutter schützt die Tochter


© vgenyatamanenko – Fotolia


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Forscher haben bluthochdruckkranke Ratten in der Schwangerschaft mit einem Medikament behandelt und festgestellt, dass die weiblichen Nachkommen daraufhin weniger an Bluthochdruck litten. Den Mutterratten selbst half die Behandlung nicht, auch die Söhne profitierten nicht davon. Die Forscher der Universität Mainz und des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) machen für diesen Effekt einen epigenetischen Mechanismus verantwortlich, der auch beim Menschen eine Rolle spielen könnte.

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Die spontan-hypertensiven Ratten litten unter einer Form von Bluthochdruck, die mit der essentiellen Hypertonie beim Menschen vergleichbar ist.  Bei der essentiellen Hypertonie können keine organischen Ursachen für den erhöhten Blutdruck gefunden werden. Sie betrifft rund 90 Prozent aller Bluthochdruckkranken und wird oft weitervererbt. Die Ratten erhielten in der Schwangerschaft den Arzneistoff Pentaerythritoltetranitrat (PETN), welcher in der Behandlung von Patienten mit  koronarer Herzkrankheit Anwendung findet. Das Medikament hatte keine Wirkung auf den Blutdruck des Muttertiers oder der männlichen Nachkommen, senkte aber den systolischen Blutdruck in den weiblichen Nachkommen um 10-13 mmHg.  

Die Forscher fanden, dass bestimmte Gene in den Endothelzellen der Blutgefäße der Rattentöchter verstärkt aktiv waren. Die Veränderungen waren auch nach 8 Monaten noch zu finden. In diesem Alter ist die Endothelschicht schon mehrfach komplett ausgetauscht worden. Daher schlussfolgern die Forscher, dass die epigenetischen Modifikationen stabil sind und bei der Zellteilung von Mutterzellen an die Tochterzellen weitergegeben werden. Warum die männlichen Nachkommen nicht von der Therapie profitieren, dafür haben die Forscher noch keine Erklärung.

Essentielle Hypertonie kann heutzutage ziemlich gut behandelt, aber immer noch nicht geheilt werden. Patienten müssen lebenslang Medikamente nehmen. „Sollte diese Therapie eines Tages am Mensch bestätigt werden, bedeutet das, dass man genetisch-bedingte Hypertonie mit so einer mütterlichen Behandlung über epigenetische Mechanismen dauerhaft lindern könnte“, sagt Professor Huige Li, Pharmakologe an der Universitätsmedizin Mainz.

Mit Pharmakotherapie während der Schwangerschaft müsse man aber sehr vorsichtig sein. Deshalb sei eine Behandlung der Mutter keine Therapieoption für „normale“ Bluthochdruck-Patienten, so Prof Li. Für zwei Gruppen von Patienten könnte so eine Therapie jedoch interessant sein. Die erste Gruppe sind Patientinnen mit familiärer Geschichte von schwerer, therapie-resistenter Hypertonie, die das Risiko von Generation zu Generation weitergeben.

Die zweite Gruppe bilden Patientinnen mit abnormaler Plazenta-Perfusion, die zur Wachstumsverzögerung des Fötus und Frühgeburt der Babys führen kann. Eine Studie aus Jena hatte gezeigt, dass eine PETN-Therapie solche Schwangerschaftskomplikationen vermindern kann. Aus der Mainzer Studie ist es nun vorstellbar, dass die Töchter der PETN-behandelten Patientinnen noch einen zusätzlichen Schutz genießen könnten, nämlich den Schutz vor einer Hypertonie im Erwachsenenalter. Es ist bekannt, dass untergewichtige Neugeborene ein erhöhtes Risiko haben, später eine Hypertonie zu entwickeln.

Die Forscher veröffentlichten ihr Ergebnisse in Hypertension. Die wurde von den Editoren für ein Editorial Commentary ausgewählt und die American Heart Association hat dazu eine Pressemitteilung herausgegeben. In dem eLetter am 13.01.2015 nannte Professor Jaap A. Joles, ein Pionier auf diesem Fachgebiet, die Publikation als einen "Durchbruch auf dem Gebiet der Entwicklungsplastizität" http://hyper.ahajournals.org/letters

Originalarbeit:

Maternal Treatment of Spontaneously Hypertensive Rats With Pentaerythritol Tetranitrate Reduces Blood Pressure in Female Offspring. Hypertension 65:232-237 (2015), doi: 10.1161/HYPERTENSIONAHA.114.04416

Kontakt:

Christine Vollgraf, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK), Tel.: 030 4593 7102, christine.vollgraf@dzhk.de