Pressemitteilungen

Herzmuskelschwäche: Defekter Eisentransportweg als möglicher Behandlungsansatz

Forschende des Herzzentrum der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) haben bei Betroffenen mit Herzmuskelschwäche einen defekten Eisentransportweg entdeckt, der sich negativ auf den Zellstoffwechsel auswirkt. Zugleich fanden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Wege, um diesen Defekt zu beheben und die normale Funktion der Herzmuskelzellen wiederherzustellen. Diese Erkenntnisse bieten mögliche Ansatzpunkte für neue Therapien. Die Ergebnisse wurden nun in der weltweit anerkannten Fachzeitschrift „Circulation Research“ veröffentlicht.

Nachweis des defekten Signalwegs zur Eisenaufnahme im Herzgewebe von Betroffenen mit krankhafter dilatativer Kardiomyopathie. (rot = Zellmembranen; grün = Transportvesikel; blau = Zellkerne) | © umg/AG Ebert 2022
Priv.-Doz. Dr. Antje Ebert, Letztautorin der Studie und Gruppenleiterin der Arbeitsgruppe „Kardiovaskuläre Zellbiologie und Systemmedizin“ (li) und Dr. Yuanyuan Dai, Erstautorin der Studie und Doktorandin in der Arbeitsgruppe (re.). | © umg/hzg, privat

Laut Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) leiden etwa 27 Prozent der Weltbevölkerung an einem starken Eisenmangel, der häufig auch zur Anämie führt. Bei einer Anämie ist die Anzahl der roten Blutkörperchen so niedrig, dass das Blut nicht mehr genügend Sauerstoff in den Körper transportieren kann. Patientinnen und Patienten mit Eisenmangel leiden oft an Erschöpfung, Schwäche und Blässe bis hin zur Kurzatmigkeit und Brustschmerzen. Leiden sie zusätzlich an einer Herzschwäche, verschlimmert Eisenmangel die Symptomatik und verschlechtert die Prognose. Etwa 50 Prozent der Patientinnen und Patienten mit Herzinsuffizienz haben wegen eines Defekts der Eisenaufnahme, -zirkulation und -ausscheidung im Darm einen Eisenmangel. Neben diesem Eisenaufnahmedefekt im Darm gibt es weitere Mechanismen, die für die Eisenaufnahme in einzelne Zellen sorgen. Diese waren in Herzmuskelzellen aber bislang weitgehend unverstanden.

An dieser Stelle setzt das Forschungsteam um Priv.-Doz. und DZHK-Wissenschaftlerin Dr. Antje Ebert, Letztautorin der Studie und Gruppenleiterin der Arbeitsgruppe „Kardiovaskuläre Zellbiologie und Systemmedizin“ im Herzzentrum der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) an. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben herausgefunden, dass Betroffene mit einer krankhaften Erweiterung des Herzmuskels, einer dilatativen Kardiomyopathie, einen Eisenaufnahme-Defekt aufweisen. Dieser Defekt beeinflusst nicht nur die Eisenaufnahme in die Herzmuskelzellen, sondern auch dessen Verarbeitung sowie damit in Verbindung stehende Stoffwechselprozesse, zum Beispiel die Energieversorgung der Zellen.

Die defekte Eisenaufnahme lässt sich auf bestimmte Mutationen zurückführen“, sagt Dr. Yuanyuan Dai, Erstautorin der Studie. „Erbliche, krankheitsverursachende Mutationen bieten die Möglichkeit, die molekularen Fehlfunktionen in Herzmuskelzellen von Patient*innen mit einer krankhaften Herzmuskelerweiterung zu verstehen. Darüber hinaus untersuchten wir Patient*innengewebe, das während Herzoperationen entnommen wurde. Es war wichtig, dass wir Teile des defekten Eisentransportwegs auch in Geweben von Patient*innen als Vergleich nachweisen konnten“, so Dr. Dai. Mithilfe einer hochsensitiven Massenspektrometrie-Methode untersuchten die Göttinger Forscherinnen und Forscher die krankhaft veränderten Herzmuskelzellen sowie das von Betroffenen mit dilatativer Kardiomyopathie stammende Herzgewebe. Anschließend ermittelten sie die vorliegenden Signalwege und Proteinfunktionen innerhalb dieser Zellen. Dabei identifizierten sie den Defekt der Clathrin-vermittelten Endozytose in den Zellen als einen zentralen Aspekt des neuen Krankheitsmechanismus. Dies traf sowohl in den im Labor-erzeugten Herzmuskelzellen als auch beim entnommenen Herzgewebe der Patient*innen zu. Zugleich konnte die Arbeitsgruppe zeigen, dass die Funktion dieses Transportwegs auf drei verschiedene Arten wiederhergestellt werden kann: Durch die Gabe von zusätzlichem Eisen, einer speziellen molekularen Verbindung die den Transportweg „repariert“, oder mithilfe der Gen-Editierung (CRISPR-Cas), einem Verfahren zur gezielten Veränderung des Erbguts. Die neu gewonnenen Erkenntnisse sollen nun genutzt werden, um mögliche Therapieansätze für betroffene Patient*innen zu erforschen.

„Ich freue mich über die Publikation der Studie von Priv.-Doz. Dr. Antje Ebert, die mit ihren Kolleg*innen eine wichtige Forschungsarbeit in Göttingen leistet. Mit den neuen Erkenntnissen über die Vorgänge der Eisenaufnahme in die Herzmuskelzellen und deren Fehlfunktionen bei einer dilatativen Kardiomyopathie können zukünftig neue Therapieansätze für Betroffene möglich werden“, so  Prof. Dr. Gerd Hasenfuß, Direktor der Klinik für Kardiologie und Pneumologie und Vorsitzender des Herzzentrums der Universitätsmedizin Göttingen.

Originalpublikation: An Alternative Mechanism of Subcellular Iron Uptake Deficiency in Cardiomyocytes (Dai et al., 2023)

Wissenschaftlicher Kontakt: Priv.-Doz. Antje Ebert (antje.eber(at)med.uni-goettingen.de), AG „Kardiovaskuläre Zellbiologie und Systemmedizin“, Herzzentrum, Universitätsmedizin Göttingen

Quelle: Pressemitteilung UMG