Ziel der NAKO Gesundheitsstudie ist es, chronische Erkrankungen, wie zum Beispiel Krebs, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Rheuma, Infektionen und Depression genauer zu erforschen, um Prävention, Früherkennung und Behandlung dieser weit verbreiteten Krankheiten zu verbessern.
Im Mai startet die dritte Förderphase der NAKO Gesundheitsstudie (ehemals Nationale Kohorte, kurz: NAKO). Im Kieler Studienzentrum liegt ein Schwerpunkt darauf, Zähne und Zahnfleisch zu untersuchen: denn Entzündungen im Mund können auch andere Stellen im Körper krank machen. Parodontitis , also die Entzündung des Zahnfleischs, gilt beispielsweise als Risikofaktor für Herzinfarkt und Schlaganfall sowie für Diabetes mellitus. Ein weiterer Schwerpunkt in Kiel ist die molekularbiologische Analyse der NAKO-Proben.
Was hält gesund? Was führt zu Krankheiten?
„Mit dieser Weiterförderung steigt der wissenschaftliche Wert der Studie enorm“, betont der wissenschaftliche Leiter des NAKO-Studienzentrums in Kiel und DZHK-Wissenschaftler, Professor Wolfgang Lieb von der Medizinischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU). „Sinn dieser Studie ist ja, dass wir die Teilnehmerinnen und Teilnehmer langfristig begleiten und sehen, wie sich ihr Gesundheitszustand entwickelt, wie sich ihre Lebensumstände ändern, wie sich ihre Gesundheitsparameter ändern, wer langfristig gesund bleibt und wer im Laufe der Zeit Krankheiten entwickelt. Und dafür ist ein langer Nachbeobachtungszeitraum extrem wichtig“, erklärt der Direktor des Instituts für Epidemiologie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Kiel, der auch Mitglied im Vorstand der NAKO ist.
Im Studienzentrum Kiel wurden im Rahmen der Basisuntersuchung (2014-2019) insgesamt 4.864 Frauen und 4.627 Männer im Alter von 20 bis 79 Jahren untersucht. Mit ihrer Teilnahme leisten sie einen wichtigen Beitrag zur Gesundheitsforschung, und sie bekommen, wenn sie es wünschen, die Ergebnisse der Untersuchungen gut verständlich mitgeteilt. Je mehr von ihnen auch bei den Folgeuntersuchungen mitmachen desto besser.
„Wir gehen davon aus, dass 70 Prozent der ursprünglichen Teilnehmerinnen und Teilnehmer, also etwa 6.650 Personen, die Folgeuntersuchung wahrnehmen“, sagt Lieb. Derzeit (Stand: 19. April) sind 4.383 Teilnehmende dem Aufruf zur Zweituntersuchung gefolgt. Anschließend wird analysiert, wie sich die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer von der ersten zur zweiten Untersuchung verändert haben, sowohl hinsichtlich der körperlichen Gesundheit als auch der psychischen Gesundheit.
Entzündungen im Mund und mögliche Folgen
Neben den Basisuntersuchungen, die in allen Studienzentren gleich ablaufen, gibt es Zusatzuntersuchungen, die nur in bestimmten Studienzentren durchgeführt werden. In Kiel und neun anderen Studienzentren wird zum Beispiel zusätzlich die Zahn- und Mundgesundheit ausführlich untersucht. Dabei wird unter anderem die Anzahl der Zähne und Implantate, sowie Kariesstatus und Zahnfleischentzündungen und mögliche Versorgungen mit Zahnersatz erfasst, und funktionelle Befunde der Kiefer erhoben. Außerdem werden Speichelproben entnommen. Mit diesen Daten soll geprüft werden, wie Erkrankungen von Zähnen und Zahnfleisch mit systemischen Erkrankungen zusammenhängen.
Erkrankungen des Zahnhalteapparates sind in Deutschland weit verbreitet. Mehr als die Hälfte der 35- bis 44-Jährigen und fast zwei Drittel der 65- bis 74-Jährigen sind betroffen, wie die fünfte Deutsche Mundgesundheitsstudie ergeben hat. „Es gibt viele Hinweise aus Beobachtungsstudien, dass Zahn- und Zahnfleischerkrankungen mit chronisch-entzündlichen Allgemeinerkrankungen assoziiert sind. Eine permanente Entzündung im Mundraum kann auch zu Problemen an anderer Stelle im Körper führen“, erklärt Professorin Katrin Hertrampf von der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie am UKSH, Campus Kiel, die das zahnmedizinische Modul betreut.
Parodontitis als Risikofaktor für Herzinfarkt und Schlaganfall und Diabetes mellitus
So werde angenommen, dass die Parodontitis, also die Entzündung des Zahnfleischs, ein unabhängiger Risikofaktor für Herzinfarkt und Schlaganfall sowie für Diabetes mellitus ist. „Mit der NAKO wollen wir versuchen, diese Zusammenhänge aufzuklären.“
Eine zusätzliche Finanzierung durch das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur des Landes Schleswig-Holstein und die Medizinischen Fakultät der CAU ermöglicht Hertrampfs Arbeitsgruppe weiterführende Untersuchungen. „Wir sind sehr glücklich über diese mehrjährige Förderung für eine umfangreiche zahnmedizinische Datenhebung. Damit können wir auch einmalig für die NAKO-Standorte Bioproben aus Zahnbelag und Zahnfleischtaschen für die Analyse des oralen Mikrobioms entnehmen“, berichtet Projektleiterin Hertrampf.
Was war zuerst da - die Krankheit oder die Veränderung im Mikrobiom?
Dazu dient unter anderem auch die molekularbiologische Untersuchung der Proben aus dem Mund. „Wir untersuchen, welche Mikroorganismen in Speichel und Zahnbelag vorliegen und welche Funktionen sie ausüben“, erklärt Dr. Corinna Bang vom Institut für Klinische Molekularbiologie (IKMB). Dabei geht es vor allem darum, das krankheitsassoziierte Mikrobiom bei Parodontitis zu erfassen. Denn mittlerweile weiß man, dass viele Parodontitis verursachende Bakterien auch zu anderen Erkrankungen führen können.
„Beim Mikrobiom haben wir immer das Problem, dass man nie so ganz weiß, was zuerst da ist - die Krankheit oder die Veränderung im Mikrobiom. Das kann man nur in einer Studie wie der NAKO herausfinden, bei der man Personen über eine längere Zeit beobachtet“, betont die Leiterin des Mikrobiomlabors am IKMB.
Dr. Corinna Bang und Professor Andre Franke, Direktor am IKMB und Vorstandsmitglied im Exzellenzcluster „Precision Medicine in Chronic Inflammation“ (PMI), sind außerdem auch für einige molekularbiologischen Untersuchungen der Bioproben in der NAKO zuständig. Dazu gehört zum Beispiel die Bestimmung des Darmmikrobioms durch Analyse der Stuhlproben.
Besseres Wissen über genetische Grundlagen von Krankheit und Gesundheit
Perspektivisch möchte sich der Standort Kiel auch an der genetischen Analyse von Blutproben der NAKO beteiligen. „Uns interessiert zum Beispiel wie das Darmmikrobiom und auch das orale Mikrobiom mit der Genetik des Menschen zusammenhängt“, so Bang. „Das Schöne an der NAKO ist, dass man die molekularen Daten zu einem ganz breiten Spektrum an Gesundheitsparametern und Erkrankungen in Beziehung setzen kann“, sagt der Epidemiologe Lieb. „Das ist eine sehr große Forschungsressource. Wenn wir die genetischen Daten der Probandinnen und Probanden erhoben haben, können wir diese zu über 500 klinischen Variablen, zum Beispiel zum Blutdruck, zum (Über)Gewicht und zum Harnsäurespiegel in Beziehung setzen. Das wird unser Verständnis der genetischen Grundlagen von Krankheit und Gesundheit erheblich verbessern.“
Über die NAKO Gesundheitsstudie
Die NAKO Gesundheitsstudie ist die bislang größte bevölkerungsbasierte, prospektive Langzeitstudie in Deutschland. Seit 2014 werden zufällig aus den Melderegistern gezogene Erwachsene bundesweit in 18 Studienzentren medizinisch untersucht und nach ihren Lebensumständen befragt. Ziel ist es, chronische Erkrankungen, wie zum Beispiel Krebs, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Rheuma, Infektionen und Depression genauer zu erforschen, um Prävention, Früherkennung und Behandlung dieser in der Bevölkerung weit verbreiteten Krankheiten zu verbessern.
Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, den beteiligten Ländern und der Helmholtz-Gemeinschaft gefördert. 205.000 Personen haben an der Basisuntersuchung der NAKO teilgenommen, die Folgeuntersuchung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer läuft derzeit noch.
Weiterführende Informationen:
NAKO-Gesundheitsstudie: https://nako.de/
NAKO-Gesundheitsstudie Kiel: https://kiel.nako.de/
Wissenschaftlicher Ansprechpartner: Prof. Dr. Wolfgang Lieb, Institut für Epidemiologie, UKSH, Campus Kiel, Medizinische Fakultät, CAU, 0431/500-30201 (Sekretariat), wolfgang.lieb@epi.uni-kiel.de
Quelle: Pressemitteilung der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU)