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Blutgefäße gezielt und schnell vergrößern

Bei Herzinfarkten und Schlaganfällen muss die Blutversorgung möglichst schnell sichergestellt werden, um größere körperliche Schäden zu vermeiden. Ein Team um DZHK-Wissenschaftler Prof. Ferdinand le Noble vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) setzt auf einen neuen Mechanismus, um die Endothelzellen zu vergrößern und damit binnen Stunden den Blutdurchfluss zu verbessern. Das Team hat die Ergebnisse in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht.

Schnelle Hilfe bei akutem Herzinfarkt und Schlaganfall: Mit einem neuen Mechanismus will ein Forscherteam den Durchmesser der Arterien erweitern, damit sie lokal mehr Blut durchlassen. Der neue Mechanismus soll jetzt weiter präklinisch erprobt werden. Forscher der DZHK-Standorte Heidelberg, Göttingen und München sind an der Studie beteiligt. | ©dermatzke - stock.adobe.com

„Wir verfolgen einen völlig neuen Ansatz“, betont Prof. Ferdinand le Noble, Leiter der Abteilung Zell- und Entwicklungsbiologie am Zoologischen Institut (ZOO) des KIT. „Unser Fokus richtet sich nicht darauf, die Anzahl an Blutgefäßen zu erhöhen. Wir wollen die bereits vorhandenen Arterien erweitern, damit sie mehr Blut durchlassen“.

Bereits kleine Veränderungen des Gefäßdurchmessers haben immense Auswirkungen auf den Blutfluss. Hierzu werden natürliche Prozesse genutzt, die dafür sorgen, dass im Laufe der Entwicklung aus kleinen Arterien größere Arterien entstehen. Typischerweise wird diese Entwicklung durch physikalische Prozesse, also den Blutfluss, ausgelöst und dauert relativ lange. Bis, zum Beispiel nach einem Gefäßverschluss, neue Blutgefäße nachgewachsen sind, braucht es in der Regel mehrere Tage. „Diese Zeit hat kein Kardiologe, der einen akuten Herzinfarkt behandeln muss“, erklärt de Noble.

Um den röhrenförmigen Innenraum der Blutgefäße schneller zu erweitern, sind prinzipiell zwei Mechanismen denkbar. Zum einen die vermehrte Produktion von Endothelzellen und zum zweiten die Vergrößerung bereits vorhandener Endothelzellen. Um nach einem Gefäßverschluss die Blutgefäße zu erweitern, sollten die Mechanismen strömungsunabhängig sein.

Das Protein VEGF ist als Schlüsselprotein in der Gestaltung und Ausbildung des Gefäßsystems bekannt. Gezielte Gefäßerweiterungen setzen voraus, dass VEGF nur lokal, also dort, wo es wirken soll, aktiv ist. Die Expertinnen und Experten am ZOO zeigen einen Mechanismus, mit dem sich die lokale Menge an VEGF dosieren lässt. VEGF gibt das Signal für eine gezielte Vermehrung der Endothelzellen und für eine Neumodellierung des endothelialen Zytoskeletts, in deren Folge sich der Durchmesser der Arterie erweitert. Die Neumodellierung des Zytoskellets ist insofern entscheidend, als mit einer Größenzunahme der Endothelzellen auch eine Veränderung der Stabilität dieser Zellen einhergehen muss. Damit sie sich nicht nur schnell, sondern auch stabil ohne Verletzungen oder Ausstülpungen ausdehnen können, kommt mit Trio ein weiteres Protein zum Einsatz. Es sorgt als „Masterregulator“ dafür, dass der Umbau des endothelialen Gerüstes an den richtigen Stellen stattfindet.

„Wir hoffen, dass wir mit unserer Forschung langfristig zu einer Verbesserung der Behandlung akuter Herz-Kreislauf-Erkrankungen beitragen können“, betont le Noble. An Zebrafischembryonen und Modellen von Endothelzellen erfolgreich nachgewiesen soll der neue Mechanismus jetzt weiter präklinisch erprobt werden. Perspektivisch könnten die Ergebnisse der Forschungen am ZOO in die Entwicklung von Wirkstoffen einfließen, die zum einen mittels VEGF in Arteriolen selektiv Wachstumsprozesse anregen, zum anderen das Protein Trio aktivieren und deaktivieren. An der vierjährigen Studie waren neben dem KIT auch das Deutsche Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) mit seinen Standorten Heidelberg, Göttingen und München sowie Forschungskollegen aus den Niederlanden und Finnland beteiligt.

Originalpublikation: Klems, A., van Rijssel, J., Ramms, Anne S., Wild, R., Hammer, J., Merkel, M., Derenbach, L. Préau, L., Hinkel, R., Suarez-Martinez, I., Schulte-Merker, S., Vidal, R., Sauer, S., Kivelä, R., Alitalo, K., Kupatt, C., van Buul, J. D., le Noble, F. (2020): The GEF Trio controls endothelial cell size and arterial remodeling downstream of Vegf signaling in both zebrafish and cell models. Nature Communications, 2020, DOI: 10.1038/s41467-020-19008-0

Quelle: Pressemitteilung des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT)

Diese wissenschaftliche Publikation wurde vom DZHK-Vorstand zum Paper of the Month Februar 2021 gewählt