In den vergangenen Jahrzehnten wurden große Erfolge bei der Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen erzielt. Wie sieht es bei der Herzschwäche aus?
Trotz aller Erfolge in der Herz-Kreislauf-Forschung sind die Aussichten für Herzschwäche-Patienten noch immer schlecht, genauso schlecht wie für Patienten mit einem bösartigen Tumor. Und die Zahl der Menschen mit einer Herzschwäche nimmt zu. Auch als Folge der besseren Therapie des Herzinfarktes, den überleben inzwischen doppelt so viele Menschen wie vor 40 Jahren, aber in der Folge leiden viele an einer Herzschwäche.
Wo sehen Sie den größten Forschungsbedarf bei der Herzschwäche?
Herzschwäche ist eher ein Syndrom als eine einzelne Erkrankung. Denn sie entsteht als Folge vieler unterschiedlicher Krankheiten, zum Beispiel als Folge eines Herzinfarkts, eines schlecht eingestellten Bluthochdrucks oder durch Diabetes. Dementsprechend gibt es auf vielen Gebieten Forschungsbedarf und auch sehr unterschiedliche Herangehensweisen.
Ein grundsätzliches Problem ist, dass jede Herzmuskelzelle, die stirbt, für immer verloren ist. Denn diese Zellen hören ca. ab dem Zeitpunkt der Geburt auf sich zu teilen. Wie sich ein geschädigtes Herz wieder erholen kann, ist deshalb ein zentrales Forschungsthema der Kardiologie weltweit und auch im DZHK. Wir wollen die Mechanismen hinter dem Zellteilungstop verstehen, um Herzmuskelzellen zu vermehren und den Herzmuskel wiederaufzubauen. Mittlerweile haben Forscher hierfür eine Reihe von Ansätzen entwickelt, etwa mit kleinen sogenannten microRNA Molekülen, oder mit der gezielten Überexpression von Zellzyklusproteinen, also Eiweißen, die die Zellteilung steuern. Seit einigen Jahren ist es außerdem mithilfe der sogenannten induzierten pluripotenten Stammzellen möglich, außerhalb des Körpers massenhaft menschliche Herzmuskelzellen herzustellen. Diese neuen Herzmuskelzellen könnte man den Patienten spritzen oder im Labor daraus eine Art Herzflicken herstellen, der auf den kranken Herzmuskel aufgenäht wird. Wissenschaftler an den DZHK-Standorten Hamburg und Göttingen sind auf diesem Gebiet sehr weit. Die Göttinger bereiten zurzeit die erste klinische Studie mit solchen künstlichen Herzmuskelflicken vor, die voraussichtlich Ende des Jahres starten wird.
Welche weiteren Behandlungsansätze werden derzeit erforscht?
Aufgrund der vielfältigen Ursachen für eine Herzschwäche steht langfristig die personalisierte, also auf den einzelnen Patienten, zugeschnittene Therapie im Fokus. Der bisherige Ansatz, das Fortschreiten der Herzschwäche durch eine Handvoll von Medikamenten wie Betablocker und ACE-Hemmer zu verlangsamen, verbessert zwar im Schnitt die Überlebensprognose der Patienten, aber dieses „One for all“ kann angesichts der unterschiedlichen Ursachen, aber auch der sehr verschiedenen Herzschäden nicht die einzige Lösung sein.
Ein Beispiel für eine individualisierte Therapie sind die angeborenen Herzmuskelerkrankungen. Dort gibt es eine sehr seltene Erkrankung, bei der aufgrund einer einzelnen Veränderung im Erbgut eine so schwere Herzschwäche entsteht, dass die Kinder bereits in ihrem ersten Lebensjahr daran sterben. DZHK-Wissenschaftlerin Professor Lucie Carrier hat hier eine Gentherapie entwickelt, die nach erfolgreichen Versuchen an Mäusen und künstlichem Herzmuskelgewebe nun zusammen mit einer Firma für eine Anwendung beim Menschen weiterentwickelt wird.
Gibt es bei den Arzneimitteln neue Entwicklungen?
Man dachte lange, hier wäre alles schon abgegrast. Eine große Überraschung waren dann 2019 neue Diabetes-Medikamente, die sogenannten SGLT2-Inhibitoren, die eine beträchtliche positive Wirkung bei Herzschwäche-Patienten zeigten. Diese Medikamente bewirken, dass mehr Zucker über die Niere ausgeschieden wird. Wie sie den günstigen Effekt auf die Herzschwäche entwickeln, weiß man nicht im Einzelnen. Die Ergebnisse weisen aber darauf hin, welche zentrale Rolle der Stoffwechsel bei der Herzschwäche spielt. Eine bereits laufende DZHK-Studie, METRIS-HF-DZHK18 erforscht, ob ein älteres Diabetes-Medikament, Metformin, den Energiestoffwechsel und damit die Effizienz des Herzens bei Herzschwäche-Patienten verbessern kann. Aufgrund der beobachteten Wirkung der SGLT2-Inhibitoren werden nun zusätzlich auch diese Medikamente in der Studie systematisch untersucht.
Neben der besser behandelbaren Herzschwäche mit reduzierter Pumpfunkton (HFrEF) gibt es auch die Herzschwäche mit erhaltener Pumpfunktion (HFpEF), welche Arbeiten laufen dazu im DZHK?
HFpEF ist ein Bereich der Herzschwäche, der zeigt, dass noch viel Forschungsarbeit vor uns liegt. Alle klassischen Medikamente, die bei der Herzschwäche mit erhaltener Pumpfunktion eingesetzt werden, funktionieren hier nicht. Neben einigen Projekten in der Grundlagenforschung laufen im DZHK zwei klinische Studien HFpEF-Stress-DZHK17 und Decipher HFpEF-DZHK12, die untersuchen, ob ein MRT des Herzens eine HFpEF genauso gut oder sogar besser erkennen kann, als eine Untersuchung mit einem Herz-Katheter.
Auch defekte Herzklappen können eine Ursache für Herzschwäche sein, wird daran im DZHK geforscht?
Der Klappenersatz spielt eine zunehmend wichtige Rolle in der Herzmedizin und kann heute aufgrund der Applikation über einen Herzkatheter mehr Patienten helfen als früher. Kritisch muss man aber sagen, dass solche „devices“, zu denen Herzklappen gehören, in Deutschland nicht so intensiv kontrolliert werden wie Arzneimittel. Denn anders als Medikamente müssen sie nicht umfassend in Studien untersucht werden, bevor sie zugelassen werden. Es reicht eine technische Prüfung (CE Zeichen). Eine unabhängige Forschungseinrichtung wie das DZHK hat die Aufgabe zu überprüfen, ob diese Produkte tatsächlich so gut sind, wie die Hersteller sagen. Das ist nicht selbstverständlich. Denn wenn man die Klappen über einen Herzkatheterzugang erneuert, werden sie dabei auch stark verengt. Das könnte sich auch negativ auswirken.
Zur künstlichen Trikuspidalklappe ist im DZHK deshalb eine Studie geplant, die überprüft, ob und wieviel so eine neue Klappe den Patienten nutzt. Bei den Aortenklappen gibt es mit der Transkatheter-Aortenklappen-Implantation TAVI bereits seit vielen Jahren eine Methode, mit der auch Patienten mit einem hohen OP-Risiko eine Ersatz-Klappe erhalten können. Dies erfolgt mittels eines Katheters, der über die Leistenarterie geschoben wird. Bislang musste hierzu der Brustkorb eröffnet und der Patient an eine Herz-Lungen-Maschine angeschlossen werden. Die DZHK-Studie DEDICATE-DZHK6 überprüft, welches Verfahren, TAVI oder OP, bei Patienten mit einem geringen bis mittleren OP-Risiko besser ist. Eine Besonderheit der Studie ist, dass dabei Aortenklappen unterschiedlicher Hersteller verwendet. Wir erhoffen uns von der Studie mehr Objektivität und Verfahrenssicherheit für Patienten und Ärzte.
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