Bei den meisten Schlaganfällen ist der Blutfluss in einer Arterie unterbrochen. Die genaue Ursache dafür ist bei bis zu 20 Prozent aller Schlaganfälle jedoch unklar. Medizinier sprechen dann von einem embolischen Schlaganfall unbestimmter Ursache, kurz: ESUS. Wenn die Ursache des Schlaganfalls nicht klar ist, fällt der Verdacht häufig auf Vorhofflimmern – eine der häufigsten Herzrhythmusstörungen.
Um Patienten zu identifizieren, die ein besonders hohes Risiko für Vorhofflimmern und damit für einen weiteren Schlaganfall tragen, haben Wissenschaftler des LMU Klinikums München eine Risikobewertung getestet: Der Risiko-Score wird per EKG ermittelt. Fällt er hoch aus, kann der Herzrhythmus des Patienten oder der Patientin intensiver überwacht werden – ob stationär auf der Schlaganfallstation oder ambulant in der kardiologischen Nachsorge.
Risiko-Score lässt sich nicht-invasiv per EKG bei allen Schlaganfall-Patienten ermitteln
Das Ergebnis der Studie der Kliniken für Kardiologie und Neurologie am LMU Klinikum wurde in der Fachzeitschrift „Annals of Neurology“ veröffentlicht. DZHK-Wissenschaftler PD Dr. Moritz Sinner vom Klinikum der Universität München erklärt, was aus der individuellen Risikobewertung für Vorhofflimmern bei ESUS-Patienten folgt: „Bei einigen Patient:innen kann zum Beispiel ein intensiveres Monitoring mit wiederholten Langzeit-EKGs oder sogar implantierbaren Ereignisrekordern erforderlich sein, während dies bei Patient:innen mit niedrigem Risiko nicht erforderlich erscheint. Ein großer Vorteil unseres neuen EKG-basierten Risiko-Scores liegt darin, dass er nicht-invasiv ist und wir ihn damit besonders einfach bei allen Schlaganfall-Patient:innen anwenden können. Denn wenn Vorhofflimmern erkannt wird, können wir unsere ESUS-Patient:innen durch entsprechende Medikamente effektiv vor einem erneuten Schlaganfall schützen.“
In der Beobachtungsstudie wurden knapp 300 Patientinnen und Patienten analysiert, die einen embolischen Schlaganfall ungeklärter Ursache hatten und zwischen 2018 und 2019 am LMU Klinikum behandelt wurden. Prof. Dr. Lars Kellert, Oberarzt an der Neurologischen Klinik: „Dabei spielt der sogenannte „Rhythm Irregularity Burden“ eine wichtige Rolle, der die Unregelmäßigkeit des Herzschlags erfasst.“ Er ermöglicht, Patienten mit sehr hohem und sehr niedrigem Risiko für Vorhofflimmern genau zu unterscheiden. „Meldet das System ein erhöhtes Risiko für Vorhofflimmern, dann können wir tatsächlich im Verlauf der nächsten 15 Monate bei etwa 25 Prozent dieser Patient:innen auch Vorhofflimmern nachweisen“, so Kellert.
Originalpublikation:
Atrial Fibrillation Risk Assessment after Embolic Stroke of Undetermined Source
Aenne S von Falkenhausen, Katharina Feil, Moritz F Sinner, Sonja Schönecker, Johanna Müller, Johannes Wischmann, Elodie Eiffener, Sebastian Clauss, Sven Poli, Khouloud Poli, Christine S Zuern, Ulf Ziemann, Jörg Berrouschot, Alkisti Kitsiou, Wolf-Rüdiger Schäbitz, Marianne Dieterich, Steffen Massberg, Stefan Kääb, Lars Kellert. Annals of Neurology. 2022 Nov 13. DOI: https://doi.org/10.1002/ana.26545
Wissenschaftliche Ansprechpartner: Prof. Dr. med. Lars Kellert, Neurologische Klinik und Poliklinik, LMU Klinikum München, lars.kellert@med.uni-muenchen.de
PD Dr. med. Moritz Sinner, MPH, Leitung Rhythmologie, Standort Großhadern, Medizinische Klinik und Poliklinik I, LMU Klinikum München, moritz.sinner@med.uni-muenchen.de