Ernährung, Rauchen oder Krankheiten verändern das Mikrobiom des Darms. Einen ähnlich starken Einfluss auf die molekularen Merkmale des Mikrobioms haben Medikamente – ob Antibiotika oder Nicht-Antibiotika. Das hat DZHK-Wissenschaftlerin Dr. Sofia Forslund vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC) zusammen mit einem internationalen Team von Wissenschaftlern herausgefunden. Die Schwedin forscht in Berlin zu der Frage, wie das Mikrobiom und Herz-Kreislauferkrankungen sich gegenseitig beeinflussen.
In einer neuen Studie analysierten die Bioinformatikerin und weitere Wissenschaftler die Daten von über 2.000 Patienten mit einer kardiometabolischen Erkrankung. Zu den kardiometabolischen Erkrankungen zählen zum Beispiel die koronare Herzerkrankung und Typ-2-Diabetes. Um die Auswirkungen von Arzneimitteln und Krankheiten getrennt voneinander betrachten zu können, setzen die Forscher zum Teil neu entwickelte statistische Methoden ein.
Die neue Studie baut auf einer Entdeckung auf, die Sofia Forslund bereits einige Jahre zuvor gemacht hatte und die damals die Fachwelt überraschte: Das häufig verordnete Diabetesmedikament Metformin verändert die im Darm lebenden Keime stärker als die Krankheit selbst.
Die Wirkung von Medikamenten auf das Mikrobiom kann gute oder schlechte Folgen haben: Im Fall von Antibiotika bestätigte sich in der Studie, dass sie die Vielfalt der Darmflora zerstören, insbesondere wenn sie wiederholt eingenommen werden. Die Zerstörung von Darmkeimen wiederum befördert die Entstehung von kardiometabolischen Erkrankungen und wirkt sich negativ auf ihren Verlauf aus. Das gilt auch für andere chronische Krankheiten. Zudem schwächt der Verlust der Darmkeime eine wirksame Behandlung.
Doch Medikamente können sich auch positiv auf das Mikrobiom auswirken: „Wir haben herausgefunden, dass gleichzeitig eingenommene Medikamente sich in ihrer Wirkung auf das Mikrobiom gegenseitig verstärken können“, sagt Forslund. Manche Arzneien haben dabei einen durchaus positiven Effekt. So konnten die Wissenschaftler beispielsweise zeigen, dass die gleichzeitige Gabe von Betablockern und Diuretika, die beide gegen Bluthochdruck eingesetzt werden, im Darm mit einer steigenden Zahl von Bakterien der Gattung Roseburia assoziiert ist. Diese Keime wirken im Körper antientzündlich. „Solch unerwartete Effekte von Medikamenten könnten sich künftig medizinisch nutzen lassen“, sagt Sofia Forslund.
„Außerdem muss man bei der Konzeption von Biomarker-Studien vorsichtig sein. Wenn ein bestimmtes biologisches Merkmal, das sich für die Diagnose oder Prognose einer Erkrankung eignen soll, nicht wegen der Krankheit, sondern nur aufgrund der Behandlung existiert, ist es womöglich kein guter Biomarker.“ Hier müsse man gut zwischen den einzelnen Effekten unterscheiden. Dazu seien weitere computergestützte Analysen erforderlich. „Die entsprechende Software entwickeln wir am MDC permanent weiter“, sagt die Bioinformatikerin.
Um den Einfluss von Medikamenten auf das Mikrobiom zu überprüfen und kausale und von zufälligen Zusammenhängen eindeutig zu unterscheiden, seien Folgeuntersuchungen notwendig, so Forslund.
Publikation: Sofia K. Forslund (2021): Combinatorial, additive and dose-dependent drug microbiome associations, in: Nature, DOI: 10.1038/s41586-021-04177-9
Quelle: Pressemitteilung des MDC