Ist das Herz zu schwach, um den Körper mit ausreichend Blut und damit lebenswichtigen Nährstoffen sowie Sauerstoff zu versorgen, besteht eine Herzinsuffizienz. Als Folgen treten häufig Kurzatmigkeit, Erschöpfung bei körperlicher Belastung, Druckbeschwerden in der Brust oder Schwellungen in den Beinen auf. In Deutschland leben rund vier Millionen Menschen mit Herzinsuffizienz. Die Erkrankung ist eine der häufigsten Einweisungsdiagnosen in das Krankenhaus. Bleibt sie unerkannt oder unbehandelt, steigt die Wahrscheinlichkeit, in den nächsten fünf Jahren daran zu sterben, auf bis zu 50 Prozent.
Für etwa die Hälfte der Herzschwäche-Patienten gibt es noch kaum wirksame Therapien
Aktuell unterscheidet man zwei Formen der Herzschwäche, unabhängig von der Ursache. Kann der Herzmuskel nicht mehr stark genug pumpen, entsteht die Herzinsuffizienz mit reduzierter Auswurffraktion – Heart Failure with reduced Ejection Fraction, kurz: HFrEF. Dem gegenüber steht die Herzinsuffizienz mit erhaltener Auswurffraktion – Heart Failure with preserved Ejection Fraction, kurz: HFpEF. Dabei pumpt das Herz zwar normal, ist aber zu steif, um die Herzkammern mit genügend Blut zu befüllen. Diese Form der Herzinsuffizienz ist Gegenstand des neuen Sonderforschungsbereiches (SFB) der Charité in Zusammenarbeit mit dem Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz Gemeinschaft (MDC), der Freien Universität Berlin (FU), dem Deutschen Herzzentrum Berlin (DHZB) und der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH).
Aufgrund des demographischen Wandels ist davon auszugehen, dass die Anzahl der Erkrankungen zukünftig steigen wird.
Als wichtige Ursachen für das Entstehen und Fortschreiten von HFpEF gelten sogenannte Zivilisationskrankheiten wie Bluthochdruck und Diabetes sowie diesen häufig zugrunde liegende Risikofaktoren wie Übergewicht, Rauchen und Bewegungsmangel. Etwa die Hälfte aller Personen mit Herzschwäche leidet an HFpEF. Vor allem ältere Menschen sind betroffen. Aufgrund des demographischen Wandels ist davon auszugehen, dass die Anzahl der Erkrankungen zukünftig steigen wird.Im Gegensatz zur HFrEF, der anderen Form der Herzinsuffizienz, gibt es für HFpEF bislang kaum wirksame Therapien.
Wissenschaftler wollen die Krankheit neu vermessen
„Die Herzinsuffizienz mit erhaltener Auswurffraktion ist eine systemische Erkrankung, die den ganzen Organismus betrifft. Leider sind ganz grundlegende Mechanismen und kardiovaskuläre Veränderungen dieser Krankheit erst wenig verstanden. Wir sind daher noch immer nicht in der Lage, der großen Gruppe von Patientinnen und Patienten mit HFpEF spezifische Therapien anzubieten“, erklärt Prof. Dr. Burkert Pieske. Er ist Direktor der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Kardiologie am Charité Campus Virchow-Klinikum, Direktor der Klinik für Innere Medizin und Kardiologie am DHZB sowie Sprecher des neuen SFBs.
"Wir werden mit Blick auf den gesamten Organismus, auf das einzelne Organ, aber auch auf molekularer und zellulärer Ebene forschen." Burkert Pieske
„Das möchten wir mit unserem Forschungsvorhaben nun ändern. Unser Ziel ist es, HFpEF als systemische und heterogene Erkrankung umfassend zu charakterisieren und zu klassifizieren, um sie so besser zu verstehen und gezielter zu behandeln. Und das auf verschiedenen Ebenen: Wir werden mit Blick auf den gesamten Organismus, auf das einzelne Organ, aber auch auf molekularer und zellulärer Ebene forschen“, führt Prof. Pieske aus.
Ein interdisziplinäres Forschungsteam aus Grundlagenwissenschaften und Klinik wird einen mehrstufigen Ansatz verfolgen. So analysieren die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die mechanischen, metabolischen, entzündlichen und immunologischen Auslöser der Erkrankung, die jeweiligen nachgeschalteten Signalwege sowie die spezifischen Reaktionen auf das Herz-Kreislauf-System. Dies in der Annahme, dass Störungen dieser Signalwege zu unterschiedlichen Erscheinungsformen von HFpEF mit verschiedenen Ausprägungen führen.
Dafür nutzt die Forschungsgruppe ihre Expertise in translationaler Kardiologie, funktioneller Genomik, Zell- und Molekularbiologie, Systemmedizin sowie Bioinformatik und künstlicher Intelligenz. Als Methoden kommen sogenannte Omics-Technologien – also die Analyse mehrerer Komponenten von molekularbiologischen Prozessen –, hoch entwickelte Bildgebung, phänotypische Analysen und computergestützte Modellierungen zum Einsatz. Prof. Pieske: „Wir möchten eine mehrstufige Klassifikation der Herzinsuffizienz mit erhaltener Auswurffraktion erarbeiten, um Patientinnen und Patienten anhand von molekularen und klinischen Merkmalen genau diagnostizieren und beschreiben zu können. Darauf aufbauend möchten wir die Betroffenen perspektivisch dann mit möglichst individuellen, zielgerichteten Therapien behandeln.“
Quelle: Pressemitteilung Charité