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Großer Fortschritt im Kampf gegen den Herzinfarkt



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Internationaler Forschungsverbund unter Leitung von Lübecker und Münchner DZHK-Wissenschaftlern findet neue Zielmoleküle für die Arzneimittelforschung

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Einer internationalen Forschergruppe unter der Leitung des Kardiologen Prof. Heribert Schunkert, Ärztlicher Direktor des Deutschen Herzzentrums München, und Prof. Jeanette Erdmann, Direktorin des Instituts für Integrative und Experimentelle Genomik an der Universität zu Lübeck, gelang jetzt ein spektakulärer Erfolg im Kampf gegen den Herzinfarkt. Die Wissenschaftler entdeckten eine Gen-Veränderung, die das Infarktrisiko deutlich senken kann. „Wenn man jetzt Medikamente entwickelt, die die Effekte dieser Mutation nachahmen, ließe sich die Entstehung von Herzinfarkten gezielt bekämpfen“, erklärt Prof. Schunkert.

In dieser groß angelegten Studie analysierten die Wissenschaftler im Labor 13.000 verschiedene Gene von fast 200.000 Infarktpatienten und gesunden Kontrollpersonen. Sie suchten dabei nach Veränderungen, die das Herzinfarktrisiko beeinflussen. Dabei wurden sie tatsächlich fündig. Sie konnten unter anderem Mutationen im ANGPTL4 Gen (Angiopoietin-like 4) identifizieren, die diese Voraussetzungen erfüllen.

„Im Zentrum unserer Daten steht dabei das Enzym Lipoproteinlipase (LPL), welches den Abbau von Triglyzeriden im Blut bewirkt“ erklärt Prof. Erdmann. „Das sind Blutfettstoffe, die der Körper als Energiespeicher benötigt. Zu hohe Triglycerid-Werte erhöhen jedoch ähnlich wie erhöhte LDL-Cholesterinwerte das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Infarkte. Niedrige Werte vermindern es.“

Laut Prof. Schunkert wurde die Bedeutung der Triglyceride für die Gesundheit bisher unterschätzt: „Wenn es um Blutfettstoffe geht, steht bei den meisten Patienten immer noch das Cholesterin im Vordergrund. Hier unterschied man immer zwischen dem gesunden HDL- und dem schädlichen LDL-Cholesterin. Inzwischen wissen wir aber, dass sich die HDL-Werte genau umgekehrt wie die Triglyceride verhalten. Bei hohen HDL-Werten sind die Triglyceride niedrig, bei niedrigen HDL-Werten sind sie erhöht. In Wirklichkeit verhält sich das HDL eher neutral und hat kaum noch Bedeutung. Die Triglyceride sind neben dem schädlichen LDL-Cholesterin der zweite wichtige Fettstoff im Blut. Das haben wir vor zwei Jahren in Lancet veröffentlicht. Die HDL-Werte im Blut werden nur noch bestimmt, weil man aus Gesamtcholesterin, HDL und Triglyceriden die LDL-Werte errechnen kann, die sich nicht direkt messen lassen.“

Die Konzentration von Triglyceriden im Blut wird nun neben Ernährung und Veranlagung auch von dem Gen ANGPTL4 beeinflusst. Dieses Gen bremst normalerweise das LPL-Enzym, das Triglyceride abbaut. Als Folge steigen die Fettwerte im Blut an. Die internationale Forschergruppe fand nun aber Mutationen, die dieses Gen inaktivieren und so dafür sorgen, dass der Triglycerid-Spiegel drastisch abnimmt.

„Gleichzeitig haben wir entdeckt“, so Prof. Jeanette Erdmann,„dass der Körper das ANGPTL4-Gen gar nicht benötigt und auch ohne dieses Gen bestens zurecht kommt. Das ANGPTL4-Gen scheint also überflüssig zu sein. Deshalb ist es auch einfacher, das Gen auszuschalten. Das wiederum kann letztendlich vor Herzinfarkt schützen.“

An der internationalen Studie, die über vier Jahre dauerte, nahmen insgesamt 129 Wissenschaftler aus 15 Ländern teil. Studienleiter Prof. Schunkert: „Anhand unserer Ergebnisse gilt es jetzt, Medikamente zu entwickeln, die die Wirkung des ANGPTL4-Gens neutralisieren und dadurch das Herzinfarktrisiko senken. Anderen Forschern ist das zumindest im Tierversuch schon gelungen. So sanken bei Affen, die einen neutralisierenden Antikörper gegen ANGPTL4 bekamen, die Blutfette drastisch ab. Das gibt Hoffnung, dass ähnliche wirkende Antikörper-Präparate bald auch schon bei Patienten erfolgreich eingesetzt werden können.“

Referenz:
Stitziel N, .... Schunkert H. Coding Variation in ANGPTL4, LPL, and SVEP1 and Risk of Coronary Disease. New England Journal of Medicine 2016, published online first March 02, 2016


Für Rückfragen steht Ihnen Frau Helga Korn, Deutsches Herzzentrum München,
Telefon (089) 12 18-17 01 oder email gf@dhm.mhn.de jederzeit gern zur Verfügung.