Mit herkömmlichen Therapien lässt sich ein Fortschreiten der Herzrhythmusstörung zwar verlangsamen, zuverlässig beseitigen lässt sich Vorhofflimmern aktuell jedoch in den meisten Fällen nicht. Vielversprechend ist eine neuer – ein metabolischer – Blickwinkel. Die Erforschung des veränderten Herzstoffwechsels eröffnet Perspektiven für neue Therapien und ist ein Beispiel für translationale Forschung, deren Ziel es ist, Grundlagenforschung zügig in klinischen Fortschritt umzumünzen.
Metabolisches Remodelling: Vorhofflimmern in neuem Licht
Strukturelles und elektrophysiologisches Remodelling sind gängige Begriffe im Kontext mit Vorhofflimmern. Aber von metabolischem Remodelling hat man noch kaum etwas gehört?
Bode: Das ist richtig. Dieser Aspekt ist erst in den letzten Jahren in den Blickwinkel gelangt. Es liegen dazu schon vereinzelt vielversprechende Studien vor, aber es gibt auch noch sehr viel zu entdecken. Das ist ein aktuell hoch spannendes Forschungsgebiet.
Was heißt denn metabolisches Remodelling konkret?
Bode: Bei Vorhofflimmern finden am Herzen Umbauten im Stoffwechsel statt, die bei der Entstehung der Herzrhythmusstörung eine Rolle spielen. Solche Umbauprozesse bezeichnen wir als Remodelling. Wir haben bei Vorhofflimmern ein Remodelling auf drei Ebenen: der strukturellen, der elektrophysiologischen und der metabolischen. Beim strukturellen Remodelling ändert sich der Aufbau der Vorhöfe, wobei es unter anderem zu einem Einbau von Bindegewebe kommt. Beim elektrophysiologischen Remodelling verändern sich die Ionenkanäle, die für die Herzerregung zuständig sind, und beim metabolischen Remodelling verändert sich der Stoffwechsel. Das sind drei Aspekte einer komplexen Störung, wobei Wechselwirkungen zwischen diesen drei Ebenen bestehen. Metabolische Veränderungen gehen oft einem strukturellen und elektrophysiologischen Remodelling voraus.
Remodelling ist aber doch zunächst eine positive Anpassungsleistung?
Bode: Ja, am Anfang steht häufig ein physiologischer Anpassungsprozess. Im weiteren Verlauf kann dieser jedoch zu bleibenden bzw. nur teilweise umkehrbaren Veränderungen führen, die von Nachteil und krankheitsfördernd sind. Wie und wann ein solcher Prozess kippen kann – was auch wichtig ist mit Blick auf die Therapie – ist nicht abschließend geklärt.
Und wie sehen die metabolischen Veränderungen bei Vorhofflimmern im Einzelnen aus?
Bode: Bei Vorhofflimmern bedingt die chaotische elektrische Erregung der Vorhöfe eine Mehrarbeit der Herzmuskelzellen. Es entsteht metabolischer Stress. In der Folge stellen die Herzmuskelzellen ihre Nährstoffgewinnung um, und das kann zu chronischen Umbauprozessen am Herzvorhof führen, die wiederum die Herzrhythmusstörung fördern. Ein Teufelskreis!
Die metabolischen Veränderungen, die bei Vorhofflimmern stattfinden, sind sehr komplex und längst nicht im Detail verstanden. Einige Vorgänge sind aber schon relativ gut erforscht. So bilden sich zum Beispiel in den Herzmuskelzellen größere Mengen an reaktiven Sauerstoffspezies. Diese reaktionsfreudigen Teilchen können Schäden an den Ionenkanälen hervorrufen und so zu Arrhythmien beitragen.
Um das ganz klar zu machen: Metabolisches Remodelling findet keineswegs nur bei Vorhofflimmern auf dem Boden systemischer metabolischer Erkrankungen wie Adipositas statt. Metabolisches Remodelling ist vielmehr ein lokales Pathophänomen, das grundsätzlich bei Vorhofflimmern auftritt . . .
Bode: Ja, das sind zwei verschiedene Aspekte. Systemische metabolische Erkrankungen wie Adipositas und Diabetes mellitus können in der Tat am Herzen zu Veränderungen unter anderem im Glukose-, Keton- und Lipidstoffwechsel führen. Das Vorhofflimmern selbst führt aber eben auch – unabhängig von systemischen Erkrankungen – zu einem metabolischen Remodelling.
Obwohl die Erforschung des metabolischen Remodelling bei Vorhofflimmern erst am Anfang steht – lässt sich dennoch vielleicht bereits jetzt absehen, wie diese neue Sichtweise die Behandlung von Vorhofflimmern verändern könnte?
Bode: Das ist die entscheidende Frage. Unsere Gruppe ist in der translationalen Forschung angesiedelt, und deshalb haben wir immer die Frage im Hinterkopf: Lassen sich aus unseren Forschungsergebnissen vielleicht neue Therapieansätze ableiten? Das kann die Entwicklung innovativer Therapien betreffen, aber auch die Neuanwendung bereits etablierter Medikamente, Stichwort Repurposing.
Zeichnen sich denn mit Blick auf das metabolische Remodelling schon neue Therapieansätze ab?
Bode: Interessante Medikamente sind u.a. SGLT2-Hemmer und GLP1-Rezeptoragonisten sowie auch das klassische Metformin, also Antidiabetika, die eventuell bei Vorhofflimmern auch ohne Diabetes nützlich sein könnten. Die Mechanismen, mit denen diese Medikamente möglicherweise günstig in den Herzstoffwechsel eingreifen, sind sehr unterschiedlich. Um gesicherte Aussagen zur Wirksamkeit machen zu können, brauchen wir allerdings kontrollierte Studien, in denen gezeigt wird, dass das jeweilige Medikament in der Lage ist, die Häufigkeit von Vorhofflimmern bzw. den Krankheitsverlauf günstig zu beeinflussen. Ein Problem bei bereits etablierten Medikamenten ist die Finanzierung solcher Studien, da die Hersteller eine Investition in neue Indikationen oft nicht als lohnend erachten.
Wann könnte denn aus heutiger Sicht der Einsatz metabolisch wirksamer Medikamente bei Vorhofflimmern sinnvoll sein – bei allen Patienten oder geht die Reise eher in Richtung einer individualisierten Therapie?
Bode: Ich sehe metabolisch angreifende Wirkstoffe eher als Add-on-Therapie. Auch eine prophylaktische Gabe bei Hochrisikopatienten ist denkbar. Herkömmliche Therapien wie Ablation und Antiarrhythmika, flankiert von Maßnahmen der Lebensstilmodifikation, werden ihren Stellenwert behalten. Durch zusätzlichen Einsatz von metabolisch wirksamen Medikamenten greifen wir auf einer weiteren Ebene an und könnten so die Erfolgsaussichten erhöhen.
*Bode D et Al: Metabolic remodelling in atrial fibrillation: manifestations, mechanisms and clinical
Implications. Nature Reviews Cardiology 2024. https://doi.org/10.1038/s41569-024-01038-6