​ ​ ​ ​
Nachrichten

„Die elektronische Einwilligung wird Standard werden“


8 Fragen an Prof. Wolfgang Hoffmann von der Universitätsmedizin Greifswald zum E-Consent bei klinischen Studien: "Für den Datenschutz ist es von Vorteil, wenn Studienprobanden ihre Einwilligung digital geben."


​ ​

Einwilligungen auf dem Tablet sorgen für weniger Fehler und machen Corona-Forschungsdaten besser verfügbar. Trotzdem werden in den NAPKON-Kohorten bisher nur 45 Prozent der Einwilligungen so erfasst. Ein Appell für die Nutzung.

​ ​

Dass Patienten einwilligen, damit ihre Daten in klinischen Studien verwendet werden dürfen, ist in Deutschland ethischer Standard. Weniger selbstverständlich ist es, dass sie dies auf einem Tablet tun und nicht wie seit Jahrzehnten auf Papier.

Das DZHK, mit dessen Infrastruktur in den NAPKON-Kohorten sämtliche Forschungsdaten erhoben werden, möchte das ändern. Es stellt ein System zur Verfügung, mit dem Patienten im Untersuchungszimmer oder am Krankenbett digital einwilligen können. Das Verfahren wird auch digitaler (oder elektronischer) Consent genannt.

Wie das genau geht, beschreibt Dana Stahl von der unabhängigen Treuhandstelle in Greifswald, wo die Einverständniserklärungen verwaltet werden: „Die Patienten machen mit dem Eingabestift auf dem Tablet vier bis sechs Kreuze und unterschreiben, das war's.“ Obwohl das einfach klingt, wurden bisher nur rund 20 Prozent der Einwilligungen in NAPKON per Tablet erhoben, die meisten Standorte lassen die Teilnehmer weiterhin Zettel ausfüllen.

Die Daten müssen nur einmal erfasst werden

Dabei geht es um mehr als nur darum, ob man als Klinik eher traditionell oder eher digital aufgestellt ist. Vielmehr gibt es handfeste ethische und Datenschutzgründe, die den elektronischen Consent erforderlich machen. Einer ist, dass die Einwilligungsdaten - einmal eingegeben - direkt zur Treuhandstelle gelangen. Damit sind sie bestens geschützt, und Papierkopien können weder verloren gehen noch in falsche Hände gelangen.

Das Papierverfahren hingegen ist mehrschrittig: Patienten füllen ein Formular aus, es wird eingescannt und das Personal überträgt die Daten händisch ins System der Treuhandstelle. Jeder Schritt kann hier Fehler verursachen. Das ist ethisch problematisch, denn der Patient hat Anspruch darauf, dass sein Wille ab Tag eins der Einwilligung korrekt im System abgebildet wird.

Bis zu 40 Prozent der Papier-Einwilligungen sind fehlerhaft

Das kann das Papiersystem kaum leisten. Dana Stahl: „Bis zu 40 Prozent der Papier-Einwilligungen, die uns erreichen, sind fehlerhaft.“ Das gehe von fehlenden Scans, über unleserliche Namen bis zu uneindeutig gesetzten Kreuzen. Das Studienpersonal wird in allen diesen Fällen im Nachgang von der Treuhandstelle zum Berichtigen aufgefordert.

Und das muss schnell gehen, sonst sind die wertvollen Corona-Forschungsdaten in Gefahr.  „Wenn eine Einwilligung nicht innerhalb von vier Monaten korrekt vorliegt, müssen wir alle Daten der betreffenden Person löschen“, sagt Prof. Wolfgang Hoffmann vom Universitätsklinikum Greifwald, der das System mit entwickelt hat. Dies sei bislang zum Glück noch nicht vorgekommen.

Treuhandstelle löst Probleme gemeinsam mit Klinik-IT

Was hält das Studienpersonal an den Standorten trotzdem davon ab, Einwilligungen per Tablet zu erfassen? Eine nichtrepräsentative Umfrage hat ergeben, dass es Berührungsängste mit der Technik gibt, die in den Kliniken häufig noch nicht so etabliert ist.

Hierzu versichert Dana Stahl: „Wir leisten jede Art von Hilfestellung, bieten vorkonfigurierte Tablets an und lösen Probleme gemeinsam mit Ihrer IT-Abteilung.“ In Infektionsräumen schütze eine sogenannte Otterbox das Tablett vor Kontaminationen. Diese lasse sich wie andere Klinikutensilien einfach sterilisieren, so Stahl. Man könne die Tablets aber auch ohne Schützhülle desinfizieren, ohne sie zu beschädigen.

Elektronische Consente sind nahezu fehlerfrei

Wolfgang Hoffmann will auch das Argument nicht gelten lassen, älteren Menschen sei die Einwilligung auf einem Tablet nicht zuzumuten: „Der Prozess ist haargenau derselbe, wie auf dem Papier. Kreuze setzen und unterschreiben. Und falls nötig, kann man sogar die Schrift vergrößern.“ Erste Auswertungen der Treuhandstelle haben außerdem ergeben, dass auch ältere Patienten eine hohe Bereitschaft aufweisen, den Consent auf Tablet auszufüllen.  Ein weiterer Vorteil des  elektronischen Consents: Zusätzliche Studien-Fragebögen können auf dem gleichen Tablet gleich im Anschluss an die Einwilligung erhoben werden.

Dana Stahl betont noch einmal, dass für das Studienpersonal viel weniger Aufwand im Nachgang entsteht: „Die elektronischen Consente sind fast fehlerfrei, mit dem Erheben auf dem Tablet ist der Einwilligungsprozess für das Personal in der Regel erledigt.“ Und das digitale Verfahren unterstützt die schnelle Verfügbarkeit der wertvollen Corona-Forschungsdaten.

Wolfgang Hoffmann weiß, dass elektronische Einwilligungen in der klinischen Forschung noch nicht die Regel und die NAPKON-Kohorten hier mit Vorreiter sind. Und er appelliert: „Wir sollten alle mit der Zeit gehen, der elektronische Consent ist da. Und er wird rasch zum Standard werden.“

Hintergrund
Das "Nationale Pandemie Kohorten Netz" kurz: NAPKON, ist ein Projekt des Netzwerks Universitätsmedizin im Kampf gegen die Corona-Pandemie. Die NAPKON-Kohortenstudien greifen in der Anfangsphase auf die klinische Forschungsplattform des DZHK zurück. Sie ermöglicht die einheitliche und qualitätsgesicherte Erfassung von Daten und Proben und sowie die spätere Nutzung für weitergehende Forschungsfragen.

Mehr Infos zu NAPKON powered by DZHK