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Die Nase als Eintrittspforte für SARS-CoV-2

Zwei Zelltypen in der Nase sind wahrscheinlich die ersten Eintrittspforten für das neue Coronavirus. Anhand von Daten aus dem Human Cell Atlas haben Forscher*innen bei Becherzellen und Flimmerepithel in der Nase besonders viele der Proteine entdeckt, die SARS-CoV-2 nutzt, um in unsere Zellen zu gelangen.

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Dass Forscher*innen des Wellcome Sanger Institutes, des Universitätsklinikums Groningen, der Universität Cote d'Azur und des CNRS in Nizza und ihre Kolleg*innen des Human Cell Atlas Lung Biological Network diese Zellen identifiziert haben, könnte zur Erklärung der hohen Übertragungsrate von SARS-CoV-2 beitragen.

Die erste Veröffentlichung mit dem Lung Biological Network ist ein Teil der laufenden internationalen Bemühungen, die Daten des Human Cell Atlas zum Verständnis von Infektion und Krankheit zu nutzen, berichten sie heute (am 23. April) im Fachjournal „Nature Medicine“. Darüber hinaus zeigt die Publikation, dass Zellen im Auge und in einigen anderen Organen wie dem Herzen ebenfalls diese Eintrittspforten für die Viren aufweisen. Sie sagt voraus, wie ein wichtiges Eintrittsprotein zusammen mit anderen Genen des Immunsystems reguliert wird und offenbart mögliche Ziele, über die ein Medikament die Übertragung des Virus erschweren könnte.

Welche Zelltypen sind an der Infektion beteiligt?

Wissenschaftler*innen in aller Welt wollen genau verstehen, wie das Virus funktioniert, um die Übertragung zu verhindern und einen Impfstoff zu entwickeln. Dass SARS-CoV-2 unsere Zellen über einen ähnlichen Mechanismus infiziert wie ein verwandtes Coronavirus, das die SARS-Epidemie im Jahr 2003 verursachte, ist bekannt. Doch die genauen Zelltypen, die in der Nase beteiligt sind, waren zuvor noch nicht genau bestimmt worden.

Die Forscher*innen analysierten daher verschiedene Datensätze des Human Cell Atlas (HCA)-Konsortiums, die aus der Einzelzell-RNA-Sequenzierung von mehr als 20 verschiedenen Geweben nicht infizierter Menschen gewonnen worden waren. Dazu gehörten Zellen aus der Lunge, Nasenhöhle, Auge, Darm, Herz, Niere und Leber. Die Forscher untersuchten, welche der einzelnen Zellen die beiden wichtigsten Eintrittsproteine exprimieren, die das Virus für die Infektion nutzt.

Dr. Waradon Sungnak, der Erstautor der Studie vom Wellcome Sanger Institute, sagt: „Das Rezeptorprotein – ACE2 – und die TMPRSS2-Protease, die beim Eintritt von SARS-CoV-2 helfen kann, wird in den Zellen verschiedener Organe exprimiert. Darunter sind die Zellen an der Innenseite der Nase. Wir haben dann gezeigt, dass von allen Zellen die schleimproduzierenden Becherzellen und Flimmerzellen in der Nase die höchsten Konzentrationen dieser beiden Proteine aufweisen. Das macht diese Zellen zum wahrscheinlichsten Erstinfektionsweg für das Virus.“

Die Zellen der Nase sind für das Virus leicht zu erreichen

Dr. Martijn Nawijn vom Universitätsklinikum Groningen in den Niederlanden erklärte für das HCA Lung Biological Network: „Diese speziellen Zellen in der Nase sind jetzt erstmals mit COVID-19 in Verbindung gebracht worden. Natürlich gibt es viele Faktoren, die die Übertragbarkeit des Virus beeinflussen. Aber unsere Ergebnisse passen gut mit den bisher beobachteten rasanten Infektionsraten des Virus zusammen. Die Lage dieser Zellen an der Oberfläche der Naseninnenseite macht sie für das Virus leicht zugänglich und kann bei der Übertragung auf andere Menschen helfen.“

Die beiden wichtigsten Eintrittsproteine ACE2 und TMPRSS2 sind auch in Hornhaut-Zellen des Auges und in der Darmschleimhaut zu finden. Dies deutet auf einen weiteren möglichen Infektionsweg über das Auge bzw. die Tränendrüsen hin und offenbart das Potenzial für eine fäkal-orale Übertragung.

Wenn Zellen geschädigt werden oder eine Infektion bekämpfen, werden außerdem verschiedene Immungene aktiviert. Die Studie zeigte, dass die Produktion des ACE2-Rezeptors in den Nasenzellen wahrscheinlich gleichzeitig mit diesen anderen Immungenen angeschaltet wird.

ACE2 ist auch im Herzen zu finden

Bis zu 20 Prozent der Patient*innen, die an COVID-19 erkranken, erleiden Schäden des Herzmuskels bis hin zum Herzversagen. Es war daher entscheidend, auch für das Herz die Genexpression des SARS-CoV-2-Rezeptors und der helfenden Protease zu kartieren. „Wir haben mehr als 500.000 Einzelzellen aus 14 menschlichen Herzen analysiert. Dabei haben wir die zellulären Bereiche identifiziert, die diese Eintrittspforte expremieren: Das sind Perizyten – also Zellen, die zum feinen Kapillarsystem des Herzens gehören –, Herzmuskelzellen und Fibroblasten, die dazu beitragen, dem Herzen seine Struktur zu geben“, sagt Dr. Michela Noseda vom National Heart & Lung Institute des Imperial College in London. „Das Wissen, auf welche Zellen im Herzen das Virus genau abzielt, ist die Grundlage, um die Mechanismen der Schädigung zu verstehen und über eine Behandlung zu entscheiden.“

„Wir können auf einzigartige Datensets aus der Einzelzellsequenzierung zurückgreifen“, sagt Professor Norbert Hübner, der Leiter der Arbeitsgruppe „Genetik und Genomik kardiovaskulärer Erkrankungen“ am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) und zusätzlich Projekte am Deutschen Zentrum für Herz-Kreislaufforschung (DZHK) und am Berlin Institute of Health (BIH) leitet. Gemeinsam mit Jonathan Seidman, Bugher Professor für Kardiovaskuläre Genetik an der Harvard Medical School, koordiniert er ein Team von 13 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Deutschland, Großbritannien und den USA, die das menschliche Herz Zelle für Zelle verstehen wollen. Zu dieser Gruppe gehören auch Michela Noseda und Sarah Teichmann. „Den ACE2-Rezeptor haben wir vor allem bei den Perizyten gefunden. Der Rezeptor spielt vermutlich eine grundlegende Rolle dabei, den Blutfluss im Körper aufrecht zu erhalten. Seine Rolle bei den Herzproblemen von COVID-19-Patient*innen ist dagegen eine andere Sache. Wir wissen noch nicht, ob das Virus selbst die Schäden am Herzen verursacht oder ob es sich um sekundäre Effekte handelt.“

Den Human Cell Atlas nutzen, um COVID-19 zu verstehen

Die Studie ist ein Ergebnis des weltweiten Human Cell Atlas-Konsortiums. Das Konsortium will Referenzkarten für alle menschlichen Zellen erstellen, um Gesundheit und Krankheit zu verstehen. Mehr als 1.600 Forscher*innen in 70 Ländern beteiligen sich am Human Cell Atlas (HCA), die Daten stehen Wissenschaftler*innen weltweit offen zur Verfügung.

Dr. Sarah Teichmann, eine Senior-Autorin der Studie vom Wellcome Sanger Institute und Ko-Vorsitzende des HCA-Organisationskomitees, sagt: „Noch während wir den Human Cell Atlas aufbauen, wird er bereits dafür genutzt, COVID-19 zu verstehen und um die Zellen zu identifizieren, die für die erste Infektion und die Übertragbarkeit entscheidend sind. Diese Informationen können genutzt werden, um die Ausbreitung des Coronavirus besser zu verstehen. Das Wissen um die genauen Zelltypen, die für die Virusübertragung wichtig sind, bietet eine Grundlage, um potenzielle Therapien zu entwickeln und die Ausbreitung des Virus zu reduzieren.“

Das globale HCA Lung Biological Network analysiert weiterhin die Daten. Das Netzwerk will weitere Hinweise auf Zellen und Ziele gewinnen, die wahrscheinlich an COVID-19 beteiligt sind, und sie mit den Eigenschaften von Patient*innen abgleichen.

Professor Sir Jeremy Farrar, Direktor von Wellcome, sagt: „Indem er die Merkmale jedes einzelnen Zelltyps bestimmt, hilft der Human Cell Atlas Wissenschaftler*innen, Krankheiten wie COVID-19 auf eine völlig neue Art und Weise zu diagnostizieren, zu überwachen und zu behandeln. Forscher*innen auf der ganzen Welt arbeiten in beispiellosem Tempo daran, unser Verständnis von COVID-19 zu vertiefen. Diese neue Arbeit ist ein Beweis dafür. Die Zusammenarbeit über Grenzen hinweg und der offene Austausch von Forschungsergebnissen ist entscheidend für die rasche Entwicklung wirksamer Diagnostika, Therapien und Impfstoffe und um sicherzustellen, dass kein Land zurückgelassen wird.“

Die Studie wurde von Wellcome, der Chan-Zuckerberg-Initiative, der Europäischen Kommission und anderen Förderern unterstützt. Die komplette Liste ist in der Studie zu finden.

Quelle: Pressemitteilung Max-Delbrück-Centrum

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