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Gendefekte könnten Risiko für schwere Herzmuskelentzündungen im Kindesalter erhöhen

Kinder sind selten von einer Herzmuskelentzündung betroffen – doch für Herzversagen oder Herzschwäche im Kindesalter ist sie eine der häufigsten Ursachen. Bisher gibt es kaum Anhaltspunkte, um einen schweren oder milden Verlauf vorherzusehen und so frühzeitig eine individuell zugeschnittene Therapie einzuleiten. Berliner Wissenschaftler haben jetzt Gendefekte gefunden, die überwiegend bei Kleinkindern mit schweren Krankheitsverläufen auftreten.

Bei der dilatativen Kardiomyopathie ist der Herzmuskel krankhaft erweitert. Das Bild zeigt einen Schnitt durch den Herzmuskel. |© Klaassen Lab, MDC

Bei Kindern, die von einer Herzmuskelentzündung betroffen sind, trifft es die jüngsten häufig am schwersten. „Mehr als die Hälfte der Kleinkinder leidet zudem an einer dilatativen Kardiomyopathie. Ihre Herzfunktion ist also eingeschränkt, weil der Herzmuskel der linken Herzkammer vergrößert ist“, sagt Dr. Franziska Seidel, Kinderkardiologin an der Charité Berlin und am Deutschen Herzzentrum Berlin. Die DZHK-Nachwuchswissenschaftlerin ist Erstautorin einer Studie, die die Gene von 42 Kindern mit Herzmuskelentzündung untersucht hat.

Seltene genetische Defekte könnten Hinweis auf höheres Risiko für schweren Verlauf sein

Den Kindern wurde Blut und Gewebe direkt aus dem Herzen entnommen: Eine sogenannte Herzmuskelbiopsie ist notwendig, um eine Herzmuskelentzündung, auch Myokarditis genannt, sicher diagnostizieren zu können. 20 der untersuchten Kinder hatten außerdem eine dilatative Kardiomyopathie. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fanden eine Häufung von seltenen, krankheitsverursachenden Genvarianten bei Kindern mit Herzmuskelentzündung und dilatativer Kardiomyopathie. Diese genetischen Defekte traten überwiegend bei Kleinkindern mit schweren Krankheitsverläufen auf.

„Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Kinder, die neben der Herzmuskelentzündung auch an dilatativer Kardiomyopathie leiden, ein höheres Risiko haben, eine dauerhafte Herzschwäche zu entwickeln oder sogar zu versterben. Genetische Untersuchungen sollten deshalb vor allem bei Kleinkindern künftig Teil der Diagnostik sein. So kann frühzeitig eine individuell zugeschnittene medikamentöse Therapie eingeleitet und ein Herzunterstützungssystem wie das Berlin HeartÓ eingesetzt werden“, sagt DZHK-Wissenschaftlerin Professor Sabine Klaassen vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin und der Charité Berlin. Auch für eine erfolgreiche Entwöhnung vom Kunstherz könnte die Gendiagnostik vorab wichtige Anhaltspunkte liefern.

Mit 42 Patienten war die Gruppe der Pilotstudie aufgrund der bei Kindern schwierig zu gewinnenden Herzmuskelbiopsien relativ klein. Die Unterschiede zwischen Kleinkind- und Jugendalter und zwischen den Krankheitsformen – dilatativ und nicht dilatativ – waren jedoch sehr deutlich. Die Forscherinnen und Forscher wollen den vielversprechenden Ansatz der Gendiagnostik weiterverfolgen: Mit mehr Daten aus dem weltweit größten Register für Kinder und Jugendliche mit Verdacht auf Myokarditis – MYKKE, in dem über 550 junge Patientinnen und Patienten registriert sind.

Die Studie wurde am Experimental and Clinical Research Center der Charité und des Max-Delbrück-Zentrum für Molekulare Medizin (ECRC), der Kliniken für Angeborene Herzfehler und Kinderkardiologie der Charité und des Deutschen Herzzentrum Berlin (DHZB) in Kooperation mit dem Kompetenznetz Angeborene Herzfehler und dem Nationalen Register durchgeführt.

Originalpublikation: Franziska Seidel et al. (2021): „Pathogenic Variants Associated with Dilated Cardiomyopathy Predict Outcome in Pediatric Myocarditis“. Circulation: Genomic and Precision Medicine, DOI: 10.1161/CIRCGEN.120.003250

Quelle: Pressemitteilung Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin