Vorhofflimmern ist die häufigste Herzrhythmusstörung. Experten erwarten, dass sie in den nächsten 40 Jahren bei über 55-Jährigen sogar doppelt so häufig auftreten wird. Kommt das Herz aus dem Takt, steigt das Risiko für einen Schlaganfall. Die Einnahme von Blutgerinnungshemmern, sogenannten Antikoagulantien, kann dieses Risiko jedoch um bis zu 70 Prozent reduzieren. Problem dabei ist, dass Vorhofflimmern häufig unentdeckt und damit unbehandelt bleibt, da es oft nur anfallartig auftritt und keine Beschwerden verursacht.
Man weiß, dass durch verstärkte und verlängerte Screenings des Herzrhythmus Vorhofflimmern häufiger rechtzeitig erkannt wird. Professor Marcus Dörr von der Universitätsmedizin Greifswald und seine Schweizer Kollegen vom Universitätsspital Basel konnten nun zeigen, dass Smartwatches hier eine Möglichkeit bieten, den Herzrhythmus bequem und vergleichsweise günstig zu überwachen. In einer prospektiven kontrollierten Studie haben sie dafür an 508 Personen mit und ohne Vorhofflimmern untersucht, ob eine Smartwatch mit einer App zur Aufzeichnung des Herzrhythmus Vorhofflimmern akkurat detektieren kann. Hierfür wurden die Aufzeichnungen der Smartwatches durch einen automatischen Algorithmus hinsichtlich des Vorliegens von Vorhofflimmern analysiert. Die Ergebnisse wurden mit einem mobilen Elektrokardiogramm (EKG)-Gerät verglichen, bei dem für die Messung je zwei Finger der rechten und linken Hand auf eine Elektrode gelegt werden. Diese EKGs wurden anschließend von Ärzten ausgewertet, denen keine weiteren Informationen über die Teilnehmer vorlagen. Dabei zeigte sich, dass die Smartwatch mindestens genauso gut und akkurat wie das mobile EKG Vorhofflimmern detektieren kann. „Besonders wichtig war, dass durch die App nicht zu viele falsch-positive Befunde erhoben wurden. Also Vorhofflimmern angezeigt wurde, wenn tatsächlich keines vorlag“, sagt Dörr. Denn dies würde unnötige Untersuchungen und Kosten nach sich ziehen.
Signalstörungen durch Bewegung
Allerdings gab es noch Probleme mit der Qualität des Signals. Meistens traten diese Störungen auf, wenn die Träger sich bewegten. Dann konnte die Smartwatch den Herzrhythmus nicht immer korrekt erfassen. In der Studie konnten die Wissenschaftler aufgrund schlechter Signalqualität 20 Prozent der Daten nicht auswerten. „Eine mögliche Lösung könnte sein, neben der Verbesserung des Algorithmus, den Herzrhythmus nachts mehrfach automatisiert aufzuzeichnen, wenn man sich weniger bewegt“, so DZHK-Wissenschaftler Dörr. Die Studie zeigte außerdem, dass eine wiederholte einminütige Aufzeichnung ausreicht, um Herzrhythmusstörungen zuverlässig zu entdecken. Durch ein verlängertes Aufzeichnungsintervall von drei oder fünf Minuten konnten keine besseren Ergebnisse erzielt werden.
Smartwatch könnte diagnostische Lücke füllen
Bevor die Smartwatch jedoch tatsächlich für ein Screening bei Risikopatienten eingesetzt werden kann, sind noch weitere größere klinische Studien nötig. Dafür läuft schon eine EU-finanzierte Studie, die untersucht, ob mit einer Smartwatch beschwerdefreies Vorhofflimmern bei Risikopatienten zuverlässig erkannt werden kann.
Momentan bekommen Patienten mit einem erhöhten Risiko für Vorhofflimmern ein Langzeit-EKG, das den Herzrhythmus für bis zu 72 Stunden aufzeichnet. Wird in dieser Zeitspanne nichts entdeckt, kann man nach den Leitlinien theoretisch damit aufhören, den Herzrhythmus zu überwachen. Ist das Risiko sehr hoch, können in ausgewählten Fällen kleine implantierbare Ereignisrekorder hinter das Brustbein operativ eingesetzt werden. Eine teure und invasive Methode. Auch andere, externe Geräte zur Rhythmusüberwachung sind kostspielig und werden von den Krankenkassen nicht bezahlt. Eine Smartwatch ist hier vergleichsweise günstig und kann theoretisch von jedermann erworben werden. Sie könnte daher zukünftig die Lücke zwischen dem Langzeit-EKG und einem implantierten Gerät schließen.
Originalarbeit: The WATCH AF Trial: SmartWATCHes for Detection of Atrial Fibrillation.
Dörr M, Nohturfft V, Brasier N, Bosshard E, Djurdjevic A, Gross S, Raichle CJ, Rhinisperger M, Stöckli R, Eckstein J. JACC Clin Electrophysiol. 2019 Feb;5(2): 199-208. Epub 2018 Nov 28. DOI:10.1016/j.jacep.2018.10.006.
Kontakt: Christine Vollgraf, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK), Tel.: 030 3465 529 02, presse@dzhk.de
Professor Marcus Dörr, Klinik und Poliklinik für Innere Medizin B, Universitätsmedizin Greifswald, mdoerr@uni-greifwald.de